Ich gehöre ganz eindeutig zur Neuglas-Fraktion. Meine Gründe.
1. Der wichtigste Grund ist, dass digitale Sensoren eine andere Geometrie bevorzugen als analoge Filme. Einem analogen Film ist es egal, in welchem Winkel ein Lichtstrahl auftritt. Sensoren dagegen schätzen es, wenn das Licht möglichst senkrecht auftritt.
Dieser Unterschied macht sich bei Weitwinkel-Objektiven bemerkbar. Früher wurden diese mit einer Konkavlinse mit kleinem Durchmesser abgeschlossen, die das Licht in die Ecken verteilt hatte. Bei modernen Konstruktionen ist die Schlusslinse größer, und sie sendet das Licht eher parallel an den Sensor. Moderne Weitwinkel sind daher oft länger und schwerer als früher.
Noch vor 10, 12 Jahren wurde oft geklagt, dass selbst teure Weitwinkel wie das Canon 2.8/16-35L an Digitalkameras in den Ecken nicht richtig scharf seien. Inzwischen ist das viel besser, das Canon 2.8/16-35L III ist digital optimiert.
2. Vergütung. Je besser die Vergütung, desto klarer und schärfer das Bild. Linsen leiten das Licht nicht 100% weiter, ein Teil geht verloren und streut im Objektiv umher. Das macht sich durch Lens Flares oder verminderten Kontrast bemerkbar. Seit den 30er Jahren gab es Einfachvergütung, seit den 70ern Mehrfachvergütung (oft SWC oder S.S.C. im Objektivnamen). Die moderne Nanovergütung hat da wiederum einen großen Sprung nach vorne gebracht.
3. Glassorten. Es werden immer wieder neue Glassorten entwickelt, die einen anderen Brechungsindex haben und dadurch neue Rechnungen ermöglichen. Ab den 70ern kamen Objektive mit hochbrechenden Linsen (ED oder UD im Objektivnamen) in den Markt, Linsen aus Fluorit oder asphärischen Linsen. Damals sündhaft teuer, findet man heute sowas auch in Mittelklasse-Konstruktionen.
Neben den reinen Qualitätsargumenten gibt es weitere Unterscheide.
4. Autofokus. Herkömmliche Objektive wurden scharfgestellt, indem man den gesamten optischen Aufbau (alle Linsen) mittels eines Schneckengangs auf der optischen Achse verschoben hat. Moderne Konstruktionen werden fokussiert, indem man eine kleine Linsengruppe im Objektivinnern verschiebt. Dies ist eine Voraussetzung für einen schnellen und leisen Autofokus.
5. Bildstabilisator. Bildstabilisation ermöglicht Aufnahmen, die früher nicht möglich waren, weil sie verwackelt wurden. Das betrifft meist nur die DLSRs, aber auch für das µFT-System gibt es Objektive mit Stabi.
6. Springblende/Offenblende. Früher wurden die Blendeninformationen mechanisch übertragen. Die Information über die am Objektiv eingestellte Blende an die Kamera, das Schließen der Blende auf diesen Wert für die Aufnahme (Springblende) oder die Information über die größte Blendenöffnung für eine Blendenautomatik. Heute geht das elektronisch. Nur in wenigen Fällen (Nikon, Pentax) passen ältere Objektive direkt an die Kamera. Da sind dann Übersetzungen Elektronik/Mechanik noch möglich. Meist muss aber ein Adapter genommen werden, vor allem für DSLMs. Da fällt die Blendenübermittlung zwischen Kamera und Objektiv in sich zusammen.
7. Moderne Objektive liefern nicht nur Blendenwerte elektronisch, sondern auch Informationen für andere Kamerafunktionen. So verwendet Canons Blitzautomatik ETTL-II die Fokusentfernung zur Blitzoptimierung. Ältere Canon EF-Objektive liefern das nicht, da kann ETTL nur als ETTL-I arbeiten. Der Canon eigene RAW-Konverter verwendet die Entfernung auch für die Korrektur der Verzeichnung. Moderne Kameras korrigieren Verzeichnung, Vignettierung und chromatische Aberration bei JPEG-Aufnahmen. Die Daten dazu liefert das (moderne) Objektiv.